Ausstellung „Hey Monte Schlacko, Dear Slagorg“

Bis zum 3. November ist am leerstehenden Karstadt-Gebäude in Siegen die Ausstellung der Künstlerin Susanne Kriemann zu sehen. Das Werk ist im Rahmen des Künstler:innenprogramms Artist in Residence Siegen entstanden und beschäftigt sich mit Flora und Fauna des „Monte Schlacko“.

Im Siegerland ist der „Monte Schlacko“ bestens bekannt. Die ab 1900 aufgeschüttete Schlackenhalde der ehemaligen Bremer Hütte im Siegener Stadtteil Geisweid ist nun das Zentrum der Arbeit von Susanne Kriemann. Im Rahmen des Künster:innenprogramms „Artist in Residence Siegen“ des Museums für Gegenwartskunst Siegen und der Universität Siegen hat sich Susanne Kriemann im Austausch mit Wissenschaftler*innen der Universität Siegen und der Stadtgesellschaft mit der Geschichte und Pflanzenwelt des regional bekannten „Monte Schlacko“ beschäftigt.

Bis zum 3. November 2024 stellt Susanne Kriemann ihr Projekt „Hey Monte Schlacko, Dear Slagorg“ nun der Öffentlichkeit vor. Für die Installation der Arbeit hat sie zusammen mit ihrem Team die Schaufenster aller Etagen des leerstehenden Karstadt-Gebäudes in der Siegener Innenstadt aktiviert. An der Fassade, in den Vitrinen und teilweise auch im Innern des Warenhauses wurden großformatige Drucke und Textilien angebracht und aufgehängt. Sie zeigen unterschiedliche Ansichten des Schlackebergs: Viele Moose und Flechten, aber auch Blumen, die sich in der kargen Gesteins- und Schlackewelt behaupten. Die Open Air-Ausstellung ist rund um die Uhr und für alle Menschen frei zugänglich. In den Abendstunden (17 – 20 Uhr) illuminieren zudem Videoinstallationen einzelne Gebäudebereiche: Blumen und Gräser bewegen sich sachte im Wind und verleihen dem Beton-Koloss einen besonderen Zauber.

„Mit dem Künstler*innenprogramm ‚Artist in Residence Siegen‘ möchten wir das Verhältnis von universitärem und städtischen Leben durch künstlerische Darstellungen neu beleuchten. Ich freue mich sehr, dass mit Susanne Kriemann eine vielfach ausgezeichnete Künstlerin dieses Residenzjahr gestaltet hat. Die Auseinandersetzung mit dem ‚Monte Schlacko‘ und die Darstellung in den Schaufenstern des Karstadt-Gebäudes ist sehr spannend – zeigt sich hier doch der Wandel, den wir auf verschiedenen Ebenen erleben“, sagte Uni-Rektorin Prof. Dr. Stefanie Reese bei der Eröffnung der Ausstellung.

„Die Zeit in Siegen war für mich sehr spannend: Zum einen die intensive Beschäftigung mit dem Monte Schlacko als Dreh- und Angelpunkt meiner künstlerischen Arbeit. Gleichzeitig aber auch die Bespielung des leerstehenden Karstadt-Gebäudes, das mit seiner Architektur und den verschiedenen Etagen ebenfalls wie ein ‚Berg‘ mitten in der Stadt wirkt. Das aus dieser Kombination entstandene Werk ist gemacht und gedacht für alle Menschen, die tagtäglich die Siegener Fußgängerzone besteigen“, sagte Susanne Kriemann.

Für „Hey Monte Schlacko, Dear Slagorg” hat sie den Monte Schlacko ein Jahr lang Monat für Monat bestiegen und fotografiert. Zu jeder Jahreszeit, bei jedem Wetter. Kriemanns Fotografien untersuchen das Wesen der Pflanzen und der Schlacke. Es zeigen sich Schicht für Schicht Organismen, die metallurgisch wie botanisch verwoben sind. Erweitert wird die Ausstellung am Karstadt-Gebäude durch historische Fotografien von seltenen Blumen, die der Siegener Fotograf Otto Arnold (1881 – 1944) Anfang der 1930er Jahre erstellte. Kriemann hat die Glasnegative von Otto Arnold digitalisiert und zeigt seine schwarz-weiß Motive zusammen mit ihren Fotografien – teilweise auch kollagenartig miteinander verwoben. Eine weitere Dimension bringt der aus der Belarus stammende Künstler Aleksander Komarov mit ein: Von ihm stammen die filmischen Pflanzenporträts, die das Gebäude in den Abendstunden illuminieren – aufgenommen teils auf dem Monte Schlacko, teils aber auch in der ukrainischen Stadt Kharkiv. 

Mit den zurückgelassenen Materialien, Möbeln und Ausstellern im ehemaligen Karstadt-Gebäude entwickelt sich die Installation zu einem hybriden Wesen, das noch nicht genau definiert ist: Slagorg. Mit ihren Überlagerungen und Durchblicken nimmt die Präsentation immer wieder direkten Bezug auf die architektonischen Strukturen des ehemaligen Kaufhauses: Béton Brut ähnelt plötzlich aufbrechender Schlacke. An der Fassade des universitären Hörsaalzentrums zum Schlossplatz hin greift Susanne Kriemann das Stillleben des leergezogenen Warenhauses auch bildlich auf: In einer Art Epilog (oder auch Prolog) zur gesamten Ausstellung sind hier Collagen aus dem Innenleben des Gebäudes zu sehen – Kleiderstangen, Regale, Holz, Stahl und Glas, mit Filtern überarbeitet und vereinzelt mit Pflanzendarstellungen vom Monte Schlacko durchbrochen.

Wie der Titel des Projekts andeutet, entwickelt die Künstlerin in der Auseinandersetzung mit diesen spezifischen Orten neue Bildsprachen und Übersetzungsformen, die ein anderes physisches Erleben fordern. „Hey Monte Schlacko, Dear Slagorg“ möchte über die steile Fußgängerzone erklommen und mehrfach umrundet werden. Kriemann möchte eine Offenheit im Denken und Sprechen erzeugen, Mehrdeutigkeiten statt gesicherter Antworten anbieten. Der Begriff Slagorg, der sich aus den Worten „Slag = Schlacke” und „org = Organismus” zusammensetzt, steht hier sinnbildlich für die Verwischung einer solchen, nicht klar definierbaren Grenze und für das Zusammenspiel von botanischen Organismen und antropozenen Eingriffen des Menschen. Konkret fragt Kriemann nach der zukünftigen Verwandlung sowie Bedeutung von Pflanzen in einer von Menschen veränderten Lebenswelt. Was bedeutet es für eine Pflanze, wenn sie auf einer Schlackenhalde wächst? Wie beeinflusst dies unser Verständnis von Natur und Mensch?

Begleitet wird das Ausstellungsprojekt von einem Rahmenprogramm aus öffentlichen Gesprächen, Führungen und Workshops der Beteiligten.

Szenografie: Leia Walz

Ko-Produktion: Lena Fließbach

Ein Projekt realisiert im Rahmen des Künstler:innenprogramms „Artist in Residence Siegen“ der Universität Siegen & des Museums für Gegenwartskunst Siegen (MGKSiegen).

Universität und Museum danken der Rolf H. Brunswig Stiftung Berlin, der Sparkasse Siegen, der Krombacher Brauerei, dem Lions Club Siegen und der Coatinc Siegen GmbH sehr herzlich für ihre Förderung des Programms in Form einer großzügigen finanziellen Unterstützung für das Residenzjahr.

Im Rahmen des Residenzjahres 2023/24 nahm Susanne Kriemann einen Lehrauftrag an der Universität Siegen wahr. Darüber hinaus leistete die Künstlerin einen Beitrag unter dem Titel „Dyeing till the water runs clean“ im Rahmen der Ringvorlesung „Kunst, Ökologien und Ökosysteme“ an der Universität Siegen. Im April 2024 fand zudem ein Werkstattgespräch im Haus der Wissenschaft der Universität Siegen statt.

Ausstellung

„Können uns die Tiere retten, oder werden die Pflanzen zu bewußten, geschickten, emphatischen Erwachsenen unseres Universums?” (Bhanu Kapil)

Susanne Kriemann

Hey Monte Schlacko, Dear Slagorg

23. Oktober bis 3. November 2024

Ein Projekt im Rahmen des Künstler:innenprogramms  „Artist in Residence Siegen“ von Universität Siegen und Museum für Gegenwartskunst Siegen

Ehemaliges Karstadtgebäude / Hörsaalzentrum am Campus Unteres Schloss

Kölner Str. 41, 57072 Siegen

Öffnungszeiten

Die Ausstellung ist rund um die Uhr zugänglich. Aufführungen sind täglich zwischen 17-20 Uhr.

Rahmenprogramm

„Hey Monte Schlacko, Dear Slagorg” Spaziergänge mit Leia Walz

Samstag, 26. Oktober 2024 um 18.00 Uhr

Donnerstag, 31. Oktober 2024 um 18.00 Uhr

Samstag, 2. November 2024 um 18.00 Uhr

Weitere Informationen zur Stipendiatin Susanne Kriemann

Susanne Kriemann (*1972, Deutschland) ist Künstlerin, Professorin für Code & Image an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe und Dozentin an der NYU Berlin. Gemeinsam mit Aleksander Komarov organisiert sie seit 2010 die Künstler:inneninitiative ABA AiR Berlin Alexanderplatz. Mit einem erweiterten Konzept des fotografischen Dokuments erforscht Susanne Kriemann Landschaften als analoge „Aufzeichnungssysteme“ für vom Menschen verursachte Prozesse. Ökologie ist sowohl in ihren Motiven als auch in ihrer Arbeitsweise vorherrschend. Ein wesentliches Merkmal ihrer Arbeit ist die Verwendung des recherchierten Materials in Abzügen und Ausstellungen. Dieser Ansatz ist mit archäologischen und geologischen Forschungen verwoben, so dass die (ferne) Vergangenheit mit der gemeinsamen Gegenwart und einer spekulativen Zukunft überlagert werden kann. Seit einigen Jahren erforscht Susanne Kriemann die Idee der Zusammenarbeit mit Wesen oder Aspekten der Natur, die traditionell nicht als menschlich gelten.