Residenzjahr 2023/24:
Susanne Kriemann

Die Künstlerin

Susanne Kriemann (*1972, Erlangen) ist Künstlerin, Professorin für Code & Image an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe und Dozentin an der NYU Berlin. Gemeinsam mit Aleksander Komarov organisiert sie seit 2010 die Künstler:inneninitiative ABA AiR Berlin Alexanderplatz. Mit einem erweiterten Konzept des fotografischen Dokuments erforscht Susanne Kriemann Landschaften als analoge „Aufzeichnungssysteme“ für vom Menschen verursachte Prozesse. Ökologie ist sowohl in ihren Motiven als auch in ihrer Arbeitsweise vorherrschend. Ein wesentliches Merkmal ihrer Arbeit ist die Verwendung des recherchierten Materials in Abzügen und Ausstellungen. Dieser Ansatz ist mit archäologischen und geologischen Forschungen verwoben, so dass die (ferne) Vergangenheit mit der gemeinsamen Gegenwart und einer spekulativen Zukunft überlagert werden kann. Seit einigen Jahren erforscht Susanne Kriemann die Idee der Zusammenarbeit mit Wesen oder Aspekten der Natur, die traditionell nicht als menschlich gelten.

Neuproduktion für den öffentlichen Stadtraum
„Hey Monte Schlacko, Dear Slagorg“ (2024)

Das Residenzjahr 2023/24 hat die Stipendiatin Susanne Kriemann gestaltet. Für ihre Installation der Arbeit hat sie zusammen mit ihrem Team die Schaufenster aller Etagen des leerstehenden Karstadt-Gebäudes in der Siegener Innenstadt aktiviert. An der Fassade, in den Vitrinen und teilweise auch im Innern des Warenhauses wurden großformatige Drucke und Textilien angebracht und aufgehängt. Sie zeigen unterschiedliche Ansichten des Schlackebergs, der im Siegerländer Volksmund „Monte Schlacko“ genannt wird: Viele Moose und Flechten, aber auch Blumen, die sich in der kargen Gesteins- und Schlackewelt behaupten.

Die Ausstellung „Hey Monte Schlacke, Dear Slagorg“ wurde am 23.10.2024 im Foyer des Hörsaalzentrums der Universität Siegen am Campus Unteres Schloss eröffnet. Die Ausstellung war anschließend bis zum Ende des Jahres geöffnet.

Fotos: Philipp Ottendörfer

Text zur Ausstellung

Für „Hey Monte Schlacko, Dear Slagorg” hat Susanne Kriemann den Monte Schlacko ein Jahr lang Monat für Monat bestiegen und fotografiert. Zu jeder Jahreszeit, bei jedem Wetter. Kriemanns Fotografien untersuchen das Wesen der Pflanzen und der Schlacke. Es zeigen sich Schicht für Schicht Organismen, die metallurgisch wie botanisch verwoben sind. Erweitert wird die Ausstellung am Karstadt-Gebäude durch historische Fotografien von seltenen Blumen, die der Siegener Fotograf Otto Arnold (1881 – 1944) Anfang der 1930er Jahre erstellte. Kriemann hat die Glasnegative von Otto Arnold digitalisiert und zeigt seine schwarz-weiß Motive zusammen mit ihren Fotografien – teilweise auch kollagenartig miteinander verwoben. Eine weitere Dimension bringt der aus Belarus stammende Künstler Aleksander Komarov mit ein: Von ihm stammen die filmischen Pflanzenporträts, die das Gebäude in den Abendstunden illuminieren – aufgenommen teils auf dem Monte Schlacko, teils aber auch in der ukrainischen Stadt Kharkiv. 

Mit den zurückgelassenen Materialien, Möbeln und Ausstellern im ehemaligen Karstadt-Gebäude entwickelt sich die Installation zu einem hybriden Wesen, das noch nicht genau definiert ist: Slagorg. Mit ihren Überlagerungen und Durchblicken nimmt die Präsentation immer wieder direkten Bezug auf die architektonischen Strukturen des ehemaligen Kaufhauses: Béton Brut ähnelt plötzlich aufbrechender Schlacke. An der Fassade des universitären Hörsaalzentrums zum Schlossplatz hin greift Susanne Kriemann das Stillleben des leergezogenen Warenhauses auch bildlich auf: In einer Art Epilog (oder auch Prolog) zur gesamten Ausstellung sind hier Collagen aus dem Innenleben des Gebäudes zu sehen – Kleiderstangen, Regale, Holz, Stahl und Glas, mit Filtern überarbeitet und vereinzelt mit Pflanzendarstellungen vom Monte Schlacko durchbrochen.

Wie der Titel des Projekts andeutet, entwickelt die Künstlerin in der Auseinandersetzung mit diesen spezifischen Orten neue Bildsprachen und Übersetzungsformen, die ein anderes physisches Erleben fordern. „Hey Monte Schlacko, Dear Slagorg“ möchte über die steile Fußgängerzone erklommen und mehrfach umrundet werden. Kriemann möchte eine Offenheit im Denken und Sprechen erzeugen, Mehrdeutigkeiten statt gesicherter Antworten anbieten. Der Begriff Slagorg, der sich aus den Worten „Slag = Schlacke” und „org = Organismus” zusammensetzt, steht hier sinnbildlich für die Verwischung einer solchen, nicht klar definierbaren Grenze und für das Zusammenspiel von botanischen Organismen und anthropozenen Eingriffen des Menschen. Konkret fragt Kriemann nach der zukünftigen Verwandlung sowie Bedeutung von Pflanzen in einer von Menschen veränderten Lebenswelt. Was bedeutet es für eine Pflanze, wenn sie auf einer Schlackenhalde wächst? Wie beeinflusst dies unser Verständnis von Natur und Mensch?

Medienstimmen zum Residenzjahr

Rückblick auf das Residenzjahr 2022/23

Szenografie: Leia Walz
Ko-Produktion: Lena Fließbach

Ein Projekt realisiert im Rahmen des Künstler:innenprogramms „Artist in Residence Siegen“ der Universität Siegen & des Museums für Gegenwartskunst Siegen (MGKSiegen).

Universität und Museum danken der Rolf H. Brunswig Stiftung Berlin, der Sparkasse Siegen, der Krombacher Brauerei, dem Lions Club Siegen und der Coatinc Siegen GmbH sehr herzlich für ihre Förderung des Programms in Form einer großzügigen finanziellen Unterstützung für das Residenzjahr.